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European Forum Alpbach - Application

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Im Rahmen meiner Bewerbung für das Europäische Forum Alpbach wurde ein Motivationsschreiben zum Thema des diesjährigen Forums – Entwurf und Wirklichkeit – gefordert. Im Folgenden der Originalwortlaut von damals, der die Spannung von Entwurf und Wirklichkeit in verschiedenen Lebensbereichen aufzeigt.

Das Thema des diesjährigen Europäischen Forums Alpbach heißt Entwurf und Wirklichkeit. Da sich mein studentisches Leben langsam aber sicher dem Ende zuneigt, ist es für mich langsam notwendig Entscheidungen für mein weiteres Leben zu treffen. Dabei gilt es aus verschiedenen Lebensentwürfen auszuwählen. Sesshaftigkeit und Familie, Ausland und Karriere machen oder einfach Aussteigen und die Welt bereisen. Die Lebenspläne meiner Kollegen zeigen die vielen verschiedenen Facetten des Lebens. Abgesehen davon, dass das Leben voller glücklicher und unglücklicher Umstände ist, die Pläne rasch über den Haufen schmeißen können, zeugen Lebensentwürfe davon, dass sie Sicherheit und Planbarkeit als Ziel haben. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit durch Planung und Unsicherheit durch die Komplexität unseres Alltags, zeigt sich auch in der Dichotomie von Entwurf und Wirklichkeit.

Wie wir im letzten Jahr gesehen haben und auch jetzt noch leidvoll spüren, sind derart komplexe Systeme, die sich mit dem Handeln bzw. dem Wirtschaften der Menschen untereinander befassen, nicht zur Gänze kontrollier- und schon gar nicht prognostizierbar. Systeme, in denen soziale Interaktionen zwischen Individuen, Gruppen und Organisationen im Fokus stehen, sind folglich Systeme der Unsicherheit. Die Lücke zwischen Entwurf und Wirklichkeit ist in sozialen Systemen nie ganz zu schließen, was in technischen Systemen nicht immer gilt. Beispielsweise darf zwischen der entworfenen Spezifikation einer Software-Applikation und dem wirklich umgesetzten Prototyp kein Blatt Papier passen, um den Kundenanforderungen gerecht zu werden.

Können wir diese Unsicherheit insbesondere in sozialen Systemen kontrollieren, die besonders im sozialen Miteinander entsteht? Wir können unser Bestes versuchen diese Systeme zu verstehen und mit der Unsicherheit umzugehen. Es genügt oftmals das Bewusstsein zu schärfen, Unsicherheit in Betracht zu ziehen und nicht auszuschließen, wie es womöglich im Vorfeld der Banken- und Finanzkrise geschehen war. Aber ist die Diskrepanz zwischen Entwurf und Wirklichkeit nicht etwas, was vielleicht sogar wünschenswert wäre? Gerade Unsicherheit birgt oftmals die größten Chancen zur Veränderung und zu Wandel. Unsicherheit ist die Spannung im Leben, die notwendig ist, um Neues zu generieren und zu erschaffen. Die Angleichung von Entwurf und Wirklichkeit ist demzufolge nicht nur etwas, was per se gar nicht möglich ist, sondern womöglich auch gar nicht wünschenswert wäre.

Im Sinne des Konstruktivismus stellt sich überdies die Frage, wer entwirft überhaupt? Wenn es keine objektiv wahren Beobachterpositionen gibt, sind dann Entwürfe wie das Top-Down-Modell der Europäischen Union zukunftsträchtige Modelle, oder konstruiert man nicht an der sozialen Wirklichkeit vorbei? Idealtypische Vorstellungen von der Zukunft in Form von Utopien haben den bitteren Beigeschmack, dass der Gedanke innewohnt, die Welt nach bestimmten Vorstellungen designen zu können. Wir als Designer unseres Lebens, konstruieren unsere Realität selbst und tragen dazu bei, wie sich die Wirklichkeit offenbart. Ordnende Strukturen stehen demgegenüber im Widerspruch, da sie für gewöhnlich andere Wirklichkeiten generieren wollen. Die Empathie beider Seiten wird zeigen, ob dies in Einklang passieren kann und wird.

Der Weg vom Entwurf zur Wirklichkeit ist letztlich ein nicht enden wollendes Perpetuum mobile, denn jeder Entwurf bringt eine neue Wirklichkeit, die es wiederum zu ordnen gilt. Das Spannungsfeld zwischen ordnenden Strukturen und Unsicherheit in sozialen Systemen wird uns demzufolge noch länger verfolgen.



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