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Agile Grundlagen

Agile Basics

Ich habe seit über 10 Jahren mit dem Thema Agilität in Theorie und Praxis zu tun. In dieser Zeit habe ich so viele Mythen, Vorurteile und Klischees über agiles Arbeiten gehört, dass es für mich an der Zeit ist ein paar Zeilen über dieses Thema zu schreiben. Ich werde nicht besonders ins Detail gehen, sondern mich an den grundlegenden Prinzipien und Grundhaltungen von Agilität orientieren, um eine Übersicht über das Thema zu erlangen.

Der Ursprung: Das agile Manifest

Der Ursprung von Agilität ist begründet im mittlerweile durchaus bekannten "Agile Manifesto" von 2001. Diese Geburt war aber schon einige Jahre davor abzusehen. Die klassische Herangehensweise an IT bzw. Software-Projekten verschlang immer größere Geldmengen. Projekte wurden selten im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahment fertig. Studien verwiesen auf über 90% aller Projekte. Darum war es auch nur natürlich, dass sich immer mehr Kollegen und Kolleginnen aus der Branche damit beschäftigt haben, wie IT Projekte anders aufgesetzt werden können. Die Verschriftlichung einer etwas "anderen" Projektvorgehensweise war das "Agile Manifesto". Ein Prinzip daraus (aus insgesamt 4), ist, dass Menschen und deren Interaktionen wichtiger sind als Prozesse und Tools. Nicht unerwähnt sollte hierbei bleiben, dass letzteres in agilen Umgebungen nicht unwichtig ist, aber eben nicht den Vorzug erhält. Dies wird oftmals missverstanden.

Agilität als Einstellung zum Arbeiten

Es gibt viele "agile" Methoden und Frameworks, wie u.a. SCRUM, Extreme Programming, SAFE, LESS, Holokratie etc. Dennoch ist es aus meiner Sicht viel mehr eine Einstellung als eine Methode. Dazu gehören für mich Elemente wie u.a. Transparenz. In agilen Umgebungen sollte es keine Geheimnisse geben. Die Arbeit jedes Einzelnen wird transparent gemacht. Es gibt keine Möglichkeit sich zu verstecken, oder seine Arbeit nicht zu machen. Agil lebt davon, dass man offen und ehrlich über alles spricht und sich im besten Fall bei der Arbeit gegenseitig unterstützt. Dies ist auch schon ein Indiz dafür, dass Agilität vor allem mit Kultur und Werten zu tun hat. Nicht überraschend, nicht jedes Unternehmen tut sich mit Themen wie Transparenz leicht. Oft treffen hier alte und neue Arbeitsmodelle frontal zusammen, was natürlich zu Friktion führt. Dennoch wird "agil" nicht nur in der IT eingesetzt und gelebt, sondern in bereits fast allen Unternehmensbereichen.

Das Herz von Agilität

Es gibt viele Aspekte von agilem Arbeiten, aber eigentlich gibt es drei Grundpfeiler: Als erstes geht es darum, dass einfach alles in einer agilen Umgebung am Kundennutzen ausgerichtet wird. Das gesamte Denken aller involvierten Personen ist danach ausgerichtet. Das sollte eigentlich ein No-Brainer sein, allerdings soll es immer noch vorkommen, dass Unternehmen sich mehr mit der Innen- als mit der Außensicht zum Kunden beschäfitgen. Als zweites geht es darum, dass die gesamte agile Arbeit in kleinen, interdisziplinären und selbstorganisierten Teams geleistet wird. Diese Arbeit wird in kurzen Zyklen immer und immer wieder dem Kunden gezeigt, worauf es sofortiges Feedback zur geleisteten Arbeit gibt. Der letzte Punkt betrifft die Reduktion von Bürokratie, koordinativen Rollen und Top-Down-Hiearchien. All dies behindert im agilen Rahmen die Auslieferung des Kundennutzen. Dies begründet auch, warum viele Unternehmen noch immer nicht zu agilen Methoden (erfolgreich) adaptieren können. Die gesamte Struktur des Unternehmens ist in der Regel nicht für eine agile Arbeits- und Denkweise ausgerichtet.

Warum eigentlich agil sein?

Warum entscheiden sich Unternehmen dafür: Als Nummer-1-Grund wird genannt, dass der Produktentwicklungsprozess stark beschleunigt wird. Prototypen werden so entwickelt, dass sie dem Kunden viel schneller gezeigt werden können und somit wertvolles Feedback vom Markt eingeholt werden kann. Dies kann unter Umständen Millionen sparen, wenn frühzeitig die richtigen Entscheidungen in der Entwicklung getroffen werden. Als zweitwichtigster Grund, auch wenig überraschend, wird genannt, dass agile Projekte sich viel rascher auf die verändernden Umweltbedingungen einstellen können. Zu guter Letzt, bringen agile Umgebungen den Vorteil, dass die Abstimmungen mit anderen normalerweise abgetrennten Unternehmensbereichen ("Silos") viel besser funktioniert.

Einsatzgebiete von Agilität

Es muss nicht alles agil sein. Wie immer im Leben ist alles abhängig von der Situation und es gibt damit kein eindeutiges "Richtig" und "Falsch". Dennoch hat sich gezeigt, dass immer mehr Projeke agil durchgeführt werden. Dies ist dadurch begründet, dass unsere Welt immer komplizierter und komplexer wird. Und das ist auch schon die Antwort auf die Frage, wo agil Sinn macht. In der sogenannten Stacey-Matrix wird dies sehr anschaulich dargestellt. Je komplizierter/komplexer die Anforderungen an etwas sind, und je komplizierter/komplexer die eingesetzte Technologielösung dafür, desto eher macht der Einsatz von agilen Methoden Sinn. Klassische Herangehensweisen würden demzufolge aufgrund der Komplexität in aller Regel scheitern. Es gibt aber immer noch Situationen, wo sowohl die Anforderungen als auch die Technologie bekannt ist und somit eine agile Vorgehensweise gegenüber der klassischen Vorgehensweise keinen wirklichen Vorteil bietet. Dennoch kann auch hier agil gearbeitet werden, wenn es einem so mehr Spaß macht.

Stacey Matrix

Smart Work

Viele kennen bereits den Ausdruck "Smart Work", was oft synonym für "New Work" benutzt wird. Manche Menschen würden zu diesen "Smart Worker" wohl sagen, dass sie faul sind und keine Einstellung zur Arbeit haben. Nichts könnte falscher sein als diese Aussage. Agile Arbeitsweise nutzt etwas Ähnliches wie das Pareto-Prinzip (80/20). Dazu aber zuerst eine Studie: Etwa zwei Drittel einer Software wird nur selten genutzt, sprich ein Drittel wird häufig genutzt. "Smart Work" in einer agilen Umgebung heißt nichts anderes, dass durch verschiedene Methoden genau dieses eine Drittel so früh wie möglich in der Entwicklung identifziert wird. Dieser Teil stellt den größten Kundenwert dar. Dieses eine Drittel wird dann vorrangig mit dem größtmöglichen Fokus entwickelt und dem Kunden rasch zur Verfügung gestellt, wohingegen der Fokus auf die anderen zwei Drittel gering bliebt, und im Umkehrschluss sogar dazu führt, dass dies ggf. nie umgesetzt wird. "Smart Work" ist also nicht nur smart, sondern auch kosteneffizient und macht am Ende des Tages den Kunden sogar glücklicher.

Agilität und das MVP

Das Minimum Viable Product oder kurz MVP genannt, zeigt den grundsätzlichen Unterschied zwischen Agilität und Wasserfall, wie im unteren Bild beispielhaft dargestellt. Die MVP Denkhaltung unterscheidet sich nicht nur in der Vorgehensweise, sondern auch in der ursprünglichen Erwartungshaltung. Während es bei der Wasserfallvorgehensweise eine sehr klare Idee davon gibt, was das Ziel ist ("Ich möchte ein Auto bauen"), ist bei agilen (komplexen) Projekten das Zielbild anfänglich noch sehr unklar ("Ich möchte von A nach B kommen"). Während bei der Wasserfallmethode Stück für Stück des Autos gebaut wird, wird in der agilen Denkweise versucht sehr schnell zu einer für den Kunden erlebbaren Lösung zu kommen ("das Stakeboard"). Diese Unterscheidung zeigt noch einmal auf, dass agil und eine klassische Vorgehsnweise in unterschiedlichen Kontexten Relevanz bekommen. Wenn ich genau weiß was ich möchte, als auch die Technologie bekannt ist, wird in der Regel Wasserfall zielführend sein. Bei unklaren Zielbildern (unklare Anforderungen und Technologien), wird agil im Vorteil sein.

Wasserfall vs. Agil

Bei agil ist alles umgedreht

Jeder Projektleiter kennt es, das Projektmanagementdreieck. Es definiert die Grenzen eines Projektes in Form von Zeit, Kosten und Umfang (Scope). In der klassischen Wasserfallprojektvorgehensweise sind alle drei Grenzen fest definiert. Exakt diese Festsetzung aller drei Grenzen hat in der Praxis in aller Regel dazu geführt, dass zumindest eines dieser Grenzen nicht eingehalten werden konnte. Der oder die Projektleiter/in war somit diejenige Person, die eine Grenze überschritten hast, was zumeist nicht mit Jubelstürmen vom Management aufgenommen wurde. Das agile Projektmanagement trifft hier eine smarte Entscheidung und dreht das Dreieck um, wie in der unteren Abbildung zu sehen ist. Budget und Zeit werden im Projekt fest gespannt, während der Projektumfang variabel bleibt. Ein Ketzer würde sagen, dass es nun leicht möglich ist das Ziel des Projekts zu verfehlen, wenn Zeit und Budget schnell aufgebraucht sind. Dies ist aber nur theoretisch möglich, da in der Praxis in regelmäßigen Abständen mit dem Kunden geplant wird, und dieser immer wieder die umzusetzenden Arbeitspakete priorisiert. Somit ist gewährleistet, dass immer die wichtigsten Arbeitspakete (Must-Haves) zuerst entwickelt werden. Wie bereits oben angeführt, wird ohnehin zumeist nur ein Teil eines Produktes wirklich häufig genutzt und genau diese Teile werden im agilen Projektvorgehen zuerst realisiert.

Projektmanagementdreieck

Dies ist natürlich nur ein Auszug aus der agilen Denkweise, aber ich hoffe es gibt einen guten Einblick in Agilität und hoffentlich genug Anreiz sich im Detail damit zu beschäftigen. Eines sei vorweggenommen: Agilität kann nicht theoretisch gelernt werden, es muss gelebt und geübt werden wie jede andere Fertigkeit der menschlichen Kultur.

Präsentation über die agilen Grundlagen



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