Ich hatte in diesem Sommer das Privileg das „Europäische Forum Alpbach“ (EFA) besuchen zu dürfen. Im Rahmen der Initiativgemeinschaft (IG) Linz konnte man sich im Vorfeld um 13 Stipendien bewerben. Einzige Voraussetzung war ein oberösterreichischer Geburtsort oder wie in meinem Falle der Studien- und Ausbildungsort Oberösterreich. Ausgestattet mit einem griffigen Motivationsschreiben und einem prägnanten Lebenslauf konnte ich mich gegenüber 60 Mitbewerbern durchsetzen. Die Freude war dementsprechend groß, doch eigentlich war mir noch nicht klar auf was ich mich überhaupt eingelassen hatte.
Alljährlich seit 1945 findet im August im Tiroler Bergdorf Alpbach das Europäische Forum statt. Während der knapp drei Wochen wird Alpbach zum Dorf der Denkerinnen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Dieses Jahr ragten u.a. vor allem Ban Ki-moon und Romano Prodi unter den Vortragenden heraus. Aber auch der Rest liest sich wie das „Who is Who“ der politischen und geistigen Elite Europas. Schon sehr früh in der Entstehungsgeschichte von Alpbach durften einige wenige auserwählte Studenten und Jugendliche an den Seminaren und Gesprächen teilnehmen. Dieser Trend entwickelte sich bis heute kontinuierlich weiter. Mittlerweile nehmen etwa 650 Studenten aus über 45 Ländern am EFA teil. Soweit zur offiziellen Version von Alpbach, denn es bietet weit mehr Facetten, als für einen Außenstehenden auf den ersten Blick erkennbar sind.
Alpbach hat sich seit den ersten Tagen das Ziel gesetzt, eine Plattform zu bieten, in der gleichermaßen politische, wirtschaftliche, technologische und soziale Themen interdisziplinär behandelt und betrachtet werden können. Der Austausch von unterschiedlichen Perspektiven und Positionen wird liebevoll auch als der „Spirit of Alpbach“ bezeichnet. Wo sonst kann man erleben, dass sich Parteipolitiker, NGOs, Unternehmer, Wissenschaftler und Philosophen über die Zukunft der Arbeit Gedanken machen. Auch wenn man nicht immer einer Meinung ist – auch nicht in Alpbach – so bereichert der Blick auf andere Denkansätze und -modelle sowohl die Gedankenwelt der Diskutanten als auch die des stillen Zuhörers. Der Austausch untereinander wird gefördert durch die Überwindung der Barrieren, die gewohnheitsmäßig bestehen zwischen Politikern, Wirtschaftstreibenden, Wissenschaftlern und Studenten. Grenzen entstehen im Kopf und sinngemäß muss man in Alpbach nur seine eigenen, persönlichen Grenzen einreißen und den Mut aufbringen mit Spitzenpolitikern und –Wissenschaftlern ein Gespräch zu starten und seine Herzensangelegenheit vorzubringen. In den seltensten Fällen wird einem dieser Versuch übel genommen.
Wie man zum Begriff der Elite auch immer stehen möge, er steht am besten für die Kreise, die in Alpbach verkehren. Die Teilnehmer verbindet, dass sie Interesse am gesellschaftlichen Geschehen mitbringen und Dynamik und Eigeninitiative entwickeln, um sich persönlich, die Organisation und/oder die Gesellschaft voran zu bringen. Der Begriff der Elite wird insbesondere dann negative Assoziationen wecken, wenn die Elite als abgeschlossener Personenkreis gesehen wird, indem man ausschließlich hineingewählt werden kann. Alpbach ist aber anders. Die Öffnung nach außen war schon zu Beginn des Forums ein grundlegender Baustein. Einerseits konnte man in einem einzigartigen und kleinen Rahmen formlos diskutieren und öffnete sich andererseits für die Gesellschaft, indem jeder Interessierte teilnehmen konnte. Die wichtigste Zielgruppe sind dabei die europäischen Studenten, die mittlerweile das Gros des Aufgebots am Europäischen Forum stellen. Bewerben für ein Stipendium kann sich prinzipiell jeder und das ist gut so.
Beim Forum treffen sich für gewöhnlich Menschen, die allesamt ähnliche Interessen haben und verfolgen. Diesbezüglich eignet sich Alpbach hervorragend, um sein eigenes Netzwerk zu erweitern. Networking und Lobbying sind ähnlich der Elite nicht immer Begriffe, die landläufig positiv besetzt sind. Wie bei vielen Dingen im Leben sind es Werkzeuge, die eingesetzt werden können, um Gutes wie auch Schlechtes zu bewirken. Um aber Veränderung in Systemen durchzusetzen ist es unabdingbar sich mit seines Gleichen zu vernetzen und Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass diese Richtung letztlich die „Richtige“ ist. Für junge Menschen bietet es vor allen Dingen die Möglichkeit sich dieser Netzwerke bewusst zu werden und selbst zu entscheiden, mit welchen Vereinen und Organisationen man übereinstimmt und mit welchen nicht. Aber es gibt auch Vernetzung über diese Interessen hinaus. In 2,5 Wochen hat man schließlich genug Zeit in diesem doch recht beschaulichen Bergdorf eine Freundschaft zu knüpfen, was in Summe doch mehr wert sein sollte, als Networking um des persönlichen Netzwerkes willen.
Alpbach ist aber auch ein Ort, an dem die Schönheit der Natur in seiner Ursprünglichkeit existiert. Grüne und saftige Almen wechseln mit schneebedeckten, majestätischen Gipfeln und kraftstrotzenden Bergbächen, wogegen nur unweit im Kongresszentrum über die größten Herausforderungen der Menschheit wie die noch nicht überwundene Wirtschaftskrise, die gemündet hat in die Schuldenkrise der Länder, den Klimawandel, Ressourcenmangel und die alternde Gesellschaft diskutiert wird. Die malerische Landschaft scheint davon unbeeindruckt und so mancher Diskutant nutzt die Chance und nimmt reis aus, um die (noch) heile Welt zu genießen.
Welche Seite nun von Alpbach einem am besten zusagt, eines sei sicher: Alpbach lässt niemanden kalt. Das Generalthema des Europäischen Forums stand heuer im Zeichen von Entwurf und Wirklichkeit. Das ist auch gleichzeitig ein Auftrag an die Teilnehmer, ob jung oder alt, denn die Entwürfe wie sie in den vergangenen Wochen im schönsten Dorf Österreichs ansatzweise skizziert wurden, warten sehnsüchtig auf ihre Verwirklichung.
Wer nun Lust gewonnen hat auf ein nettes Frühstück mit BundesministerIn Maria Fekter, einen informativen Bruch mit dem Präsidenten der Wirtschaftskammer (OÖ) Rudolf Trauner, einem aufklärenden Lunch mit Bundesminister Reinhold Mitterlehner, einem spannenden Kaffeekränzchen mit dem Präsidenten der Österreichischen Nationalbank Ewald Nowotny und einem entspannten Kamingespräch mit General Raimund Schittenhelm, der sollte sich schon einmal für den nächsten Sommer 2011 für ca. 2,5 Wochen nichts vornehmen.